Schulmuseum Korla Awgust Kocor Wartha 

Schulmuseum Wartha

Korla Awgust Kocor als Lehrer in Wartha

Die zehn Jahre des Wirkens von Korla Awgust Kocor (Karl August Katzer) als Lehrer in Wartha werden als ein "Zeitraum des fruchtbaren schöpferischen Wirkens" (Zbigniew Kosciów) bezeichnet.

Beginn der Arbeit in Wartha

Portrait Korla Awgust Kocor

Nach Ostern des Jahres 1842 ließ sich Kocor gemeinsam mit seiner siebzehnjährigen Schwester Johanna Christina, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, seinen Haushalt zu führen, in Wartha nieder. Wartha, ein kleines, armes, noch rein sorbisches Dorf, bot dem jungen Lehrer nicht gerade günstige Bedingungen.

Im März 1843 besuchte der Kirchenschulrat Dr. Petri den neuen Lehrer und musste nach der Schlussvisitation feststellen, dass sich das Schulgebäude in einem schlimmen Zustande befindet und dass die Kinder kaum zur Schule kommen.
Der Zustand des Gebäudes war katastrophal: Im Klassenzimmer wie auch in der Lehrerwohnung war der Fußboden durchgefault, die privaten Räume bestanden aus einem Zimmerchen und einer Kammer. Weder gab es einen Keller noch eine Küche, nur im Vorraum befand sich eine Feuerstätte.

Ansehen und Bezahlung

Der Schulrat konnte allerdings ungeachtet dessen bei seinem zweiten Besuch im Oktober 1843 feststellen, "dass der Lehrer bisher für seinen Beruf lebendiges Interesse und Geschick bewiesen hatte und sich so auch das Vertrauen der Schulgemeinde erworben hatte".

Die gute Beurteilung des jungen Lehrers änderte aber nichts an dessen Vergütung.
Sein Jahreseinkommen belief sich auf 72 Taler und auf reichlich acht Scheffel Getreide und zwei Klafter Holz als Deputat. Das gesamte Jahreseinkommen betrug 101 Taler, 22 Groschen und 5 Pfennige und war der niedrigste Lohn, der an einen sorbischen Lehrer in der Oberlausitz ausgereicht wurde.

Sorbische Lehrerstellen

Nicht nur bei der Besetzung neugegründeter Schulstellen, sondern auch bei der Besetzung unbesetzter Stellen in bestehenden Schulen bemühten sich die Schulbehörden um die Anstellung sorbischer Lehrer.
Dabei wurden sehr oft in Ermangelung geeigneter ausgebildeter Bewerber noch nicht wahlfähige Kandidaten bei vollem Gehalt eingestellt. Das betraf 1838 Johann Traugott Pech in Wartha und ebenfalls in Wartha 1842 Korla Awgust Kocor, da der "Mangel an wendischen Schulamtskandidaten gebietet, alle vorhandenen Lehrkräfte zur Befriedigung des Bedürfnisses zu nutzen" und "um der Schule einen ungestörten Fortgang zu sichern".

Erste Komposition

Ungeachtet dieser prekären finanziellen Lage widmete sich Kocor nicht nur voller Tatendrang den Schülern, sondern auch seiner eigenen Weiterbildung. Zudem verspürte er den Drang zum Komponieren.

Notenzeile

Der erste heute erhaltene Beleg für sein kompositorisches Schaffen ist das am 28. Januar 1844 vollendete Lied auf Worte von J. Mosen "Der Trompeter an der Katzbach".

Prüfung

Nach erfolgreicher Prüfung erlangte Kocor nach Ostern 1844 die Wahlfähigkeit. Kocor wurden (später durch den sorbischen Lehrer und Musiker K.A. Fiedler) hervorragende Prüfungsergebnisse bescheinigt.
Er erlangte "in den Wissenschaften die Zensur II a, in Musik aber I, was unter dem hervorragenden strengen Theoretiker Hering eine große Seltenheit war, denn in der Zeit dessen 37jährigen Tätigkeit auf dem Seminar fiel diese Zensur bei ihm nur dreimal, und das erstmals bei unserem Meister [...]"

Lehrmethode

Am 17. Oktober erhielt Kocor die offizielle Ernennung zum ständigen Lehrer in Wartha.

Kreide

Das Dorf war sorbischsprachig. Kocor entwickelte eine gute Methode, um den sorbischen Kindern das Deutsche beizubringen. Kocor benutzte die sorbische Sprache, um mit ihrer Hilfe den Kindern Wissen und die deutsche Sprache zu vermitteln.

Der Schulrevisor bescheinigte ihm erfolgreiches Wirken: "Der ausschließliche Gebrauch der wendischen Sprache hat den Lehrer zwar zu verdoppeltem Fleiße im Einüben der deutschen Sprache bei dem Anschauungsunterricht in der Unterklasse und beim Sprachunterricht, den die Oberklasse genießt, angetrieben, doch in Bezug auf schriftliche Aufsätze über elementare Vorübungen nicht hinauskommen lassen, da es den Kindern zum deutschen Gedankenausdruck noch zu sehr am Wörtervorrat fehlt."

Dass die Kocorsche Unterrichtsmethodik richtig und erfolgreich war, bestätigte einige Jahre später der Schulrat. Er stellte fest, dass der Lehrer den Anschauungsunterricht vollkommener, als er es in irgend einer anderen wendischen Schule gefunden hatte, "zum Erlernen der deutschen Sprache sowohl im Sprechen als im Schreiben benutzte".

Kocor versuchte den Unterricht zu reformieren. Er gehörte zu jenen sorbischen Lehrern, die den Vorschlag Johann Bartkes unterstützten, mit dem Schreiben und Lesen sorbischer Lautverbindungen unter Zugrundelegung der neuen Orthografie zu beginnen und dann erst zum deutschen Sprachunterricht überzugehen, als über das Sorbische die deutsche Sprache zu erlernen.

Sprachsituation an den Oberlausitzer Schulen

Im Jahre 1848 gab es in den 74 Volksschulen der sächsischen Oberlausitz ein sehr differenziertes Bild über den Gebrauch der sorbischen Sprache.

Es gab Schulen, in denen auf Grund der fast ausschließlich sorbischen Schüler die sorbische Sprache im Unterricht dominierte. Dazu gehörten 12 Schulen. Dann gab es 31 Schulen mit überwiegend sorbischen Schülern, wozu Wartha mit 92,6 % sorbischer Schüler gehörte. Und es gab 8 Schulen, in denen auf Grund des Einflusses des Deutschen der Unterricht hauptsächlich deutsch vorgenommen und die sorbische Sprache nur zur Nachhilfe sorbischer Schüler gebraucht wurde. Dazu gehörte Kittlitz mit 36,5 % sorbischer Schüler.

Freundschaft mit Handrij Zejler

Nach 1844 hatte sich Kocors Freund Jan Jurij Bjar mit dessen Lied "Der Trompeter an der Katzbach" bekannt gemacht und die Komposition dem sorbischen Dichter Handrij Zejler gezeigt. Der Dichter war begeistert. Auf Wunsch von Zejler kam es im Herbst 1844 zur ersten Begegnung.
Damit begann eine Zeit ihres Lebens währende Freundschaft und künstlerische Zusammenarbeit.

Sorbische Gesangsfeste

Bald nach dem ersten Treffen geschah etwas, was einen neuen Abschnitt in der Geschichte der sorbischen Musik einleiten sollte.

Am 18. April 1845 traf sich in der Bautzener "Weintraube" eine handvoll sorbischer Patrioten, denen, wie aus der sorbischen Zeitung "TydĽenska nowina" zu entnehmen war,
"[...] Herr Kocor [...] umfangreich darlegte, dass in seiner Zeit ein sorbisches Konzert gegeben werden könnte. Ein solcher Gedanke gefiel den Versammelten sehr, und als Herr Kocor weiter erklärte, wie das Konzert ausgeführt werden könnte, wurde bestellt, dass das Konzert [...] in Bautzen abgehalten werden soll."

Am 17. Oktober 1845 wurde Kocors Idee verwirklicht: In Bautzen fand des erste sorbische Liederfest statt.
Kocor dirigierte nicht nur das Programm, sondern spielte selbst auch auf und trat als Solist auf. Bereits ein Jahr darauf fand das zweite sorbische Gesangfest statt.

Gründer des Sorbischen Bauernvereins

Neben seiner Tätigkeit als Lehrer und als Organisator des sorbischen Musiklebens komponierte Kocor und begründete mit seinen Kompositionen, vor allem mit den Oratorien, die sorbische Kunstmusik.

Getreideähre

Doch Kocor stand nicht nur mit seiner Musik an der Seite der einfachen Leute. Er mühte sich als Lehrer um das Wecken sorbischer nationaler Gefühle, vor allem unter der Jugend, und gründete im Ort einen Verein.
Am 3. Dezember 1848 lud er alle Dorfbewohner in die Schule ein und schlug die Gründung eines Vereins vor. Bereits im nächsten Jahr bestand der "Sorbische Bauernverein für Wartha und Kleinsaubernitz".

Lehrer und Kantor in Kittlitz

Im Februar des Jahres 1852 verließ Kocor Wartha und nahm am 11. des Monats die Stelle des ersten Lehrers und des Kantors in Kittlitz an.
Im Dezember 1849 hatte die sorbische Zeitung "Tydźenske nowiny" über Kittlitz geschrieben: "Bei uns steht es mit dem Sorbentum traurig, in der Schule ist wohl über 5o Jahre nichts Sorbisches gelehrt worden. Der sorbische Gottesdienst ist bis vor 15 Jahren immer der letzte gewesen."

War es für Kocor auch ein beruflicher Aufstieg, denn der so genannte erste Lehrer versah die Funktion des Schulleiters, so führten die veränderte Dienstaufgabe und die familiäre Situation dazu, dass sich Kocor neun Jahre nicht um die Sorbischen Gesangsfeste kümmern konnte.

Das Komponieren vernachlässigte er indes nicht.

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